Plattenspieler-Forum

Normale Version: Fusion Jazz: eine Reise durch die Siebziger hinein in die Achtziger
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Hallo  zusammen,

ich bin ja Mitte der Sechzigerjahre geboren und habe die großen Jahre des Fusion Jazz sozusagen live miterlebt – erst als neugieriger Teenager, später mit wachsendem Bewusstsein für das, was da eigentlich passierte.

Ende der 70er habe ich mich regelrecht in die Platten von Miles Davis verbissen, besonders Bitches Brew. Das war für mich wie ein Türöffner in eine Welt, die nichts mehr mit den Standard-Jazzplatten meines Vaters zu tun hatte. Plötzlich mischte sich da ein fast schon psychedelisches Chaos aus Rock, Funk, Elektronik und Improvisation – und ich dachte nur: Wow, so kann Musik also auch klingen!

Kurz danach kamen die großen Fusion-Bands in mein Leben:
  • Weather Report, bei denen mich Heavy Weather mit „Birdland“ völlig weggeblasen hat.
  • Mahavishnu Orchestra mit dieser wahnsinnigen Energie und Virtuosität.
  • Return to Forever, wo ich zum ersten Mal merkte, dass Jazz auch atemberaubend schnell, präzise und trotzdem melodisch sein kann.
  • Und natürlich Herbie Hancock & The Headhunters, die mir beigebracht haben, dass man auch zu komplexer Musik tanzen kann.


Parallel dazu habe ich meinen Blick auch über die USA hinaus geweitet. Besonders Stomu Yamashta mit seinem „Go“-Projekt hat mich beeindruckt – diese Mischung aus Jazz, Prog, Elektronik und fast schon klassischem Anspruch war einzigartig. Und auch Akira Ishikawa, der mit seiner Uganda-Platte einen ganz eigenen, unglaublich rhythmischen Fusion-Ansatz verfolgte, gehört für mich in diese Zeit, in der scheinbar alles möglich war.

Dann der Übergang ins nächste Jahrzehnt: Ende der 70er/Anfang der 80er wurde der Sound glatter, teilweise auch eingängiger. Ich weiß noch, wie ich mit Freunden darüber diskutiert habe: „Ist das jetzt noch Fusion oder schon Pop mit Jazz-Anstrich?“ Bands wie Spyro Gyra oder Musiker wie Lee Ritenour und David Sanborn wurden im Radio gespielt, und plötzlich war das, was für mich eigentlich „abenteuerliche Musik“ war, fast schon massentauglich.

Ich gebe zu: ein Teil von mir sehnte sich nach dem wilden, experimentellen Sound der frühen Jahre. Aber gleichzeitig habe ich die geschmeidigere 80er-Fusion auch genossen – sie passte zur Zeit, zu langen Autofahrten, zu Sommerabenden. Vielleicht war es nicht mehr die ganz große Revolution, aber es hatte seinen eigenen Reiz.

Mich interessiert:
  • Wie habt ihr diese Entwicklung erlebt?
  • Habt ihr auch diese Spannung gespürt zwischen „wilder Freiheit“ und „glattem Mainstream“?
  • Und wo liegt für euch das Herz des Fusion – in den 70ern oder in den 80ern, oder gar ganz wann anders? 
Bin gespannt auf eure Eindrücke, Erinnerungen und Empfehlungen. 
Ich habe damals keinen Jazz gehört und Fusion ist mir auch heute meist zu anstrengend
(20.08.25, 19:21)JWtrane schrieb: [ -> ]Mich interessiert:
  • Wie habt ihr diese Entwicklung erlebt?
  • Habt ihr auch diese Spannung gespürt zwischen „wilder Freiheit“ und „glattem Mainstream“?
  • Und wo liegt für euch das Herz des Fusion – in den 70ern oder in den 80ern, oder gar ganz wann anders? 
Bin gespannt auf eure Eindrücke, Erinnerungen und Empfehlungen. 

Mein Einstieg in die Fusion-Welt war Herbie Hancock in der "Head Hunters-Phase", für mich auch nach wie vor seine stärkste Zeit.
Hervorzuheben sind für mich Alben wie "Man-Child", "Sextant", "Crossings" oder eben "Head Hunters".

Die Entdeckung von Miles Davis "elektronischer" Phase hat auch mich weggeblasen. Bis heute zähle ich Alben wie "Pangaea", "Agharta", Bitches Brew" oder "On The Corner" zu den absoluten Meilensteinen des Genres. Hier gibt es so viel zu entdecken, meine Empfehlungen verpuffen aber in nahezu jedem Forum.

Gong bog mit "Gazeuse" und "Shamal" in den 70er Jahren ebenfalls in diese Richtung ab, was untypisch aber auch gut ist, wenn man Pierre Meoerlens  Vibraphon durchgängig hören kann.

Weather Report waren mir schnell zu "glatt", bis einschließlich "Black Market" kann ich sie mir aber gut anhören. 

In den 80er Jahren wurde Fusion dann mit "Steps Ahead", "Fuse One" oder "Spyro Gyra" poppig, mein Schwerpunkt liegt hier ganz klar in den 70er Jahren.

Nach meiner Fusion-Begeisterung folgten "Canterbury" und "Free Jazz"  th_up
Canterbury-Bands wie "Soft Machine" oder "Nucleus" haben starke Berührungspunkte mit dem Fusion-Jazz.

Oldschool

Moin, 

das Getröte von Miles Davis lässt mich heute noch umgehend den Raum verlassen. Das Stück „Birdland“ von Weather Report finde ich immer noch total geil. Fand ich früher Quincy Jones Version von Birdland auf „back on the block“ toll, finde ich sie heute nur noch billig, theatralisch und als billige Kacke. Offensichtlich ändert sich der Geschmack im Alter…
(20.08.25, 20:18)Oldschool schrieb: [ -> ]Fand ich früher Quincy Jones Version von Birdland auf „back on the block“ toll, finde ich sie heute nur noch billig, theatralisch und als billige Kacke. Offensichtlich ändert sich der Geschmack im Alter…

Ja, wie ich es so oft schreibe....


Übrigens fand ich die "Back On The Block" damals auch ganz gut, heute finde ich sie fürchterlich.
Dann will ich meinen Senf mal auch noch dazu geben. Schließlich bin ich ein großer Fusion/Jazz Funk Freund - auch wenn das in meinem Freundeskreis meist als 'belanglose Dudelmusik' abgetan wird... Wink

Ich bin 'erst' 1973 geboren worden und bin nach einigen musikalischen Verirrungen in meiner Jugend dann Anfang/Mitte der 90er beim Hip Hop gelandet. Es folgten dann noch verschiedene andere Phasen (Dub/Reggae, Elektronik). Als ich dann vor 7 Jahren wieder in die Vinylwelt eingestiegen bin, habe ich zuerst meine Hip Hop Sammlung erweitert. Irgendwie bin ich dann aber über die ganzen Soul- und Jazz-Samples bei den Originalen gelandet. Und da bin ich immer noch. Sehr viel Soul, Funk, Fusion und Jazz. Wobei es in letzter Zeit immer jazziger wird. Aber das ist wohl das Alter... Wink

Wenn ich mal meine Sammlung so durchschaue, finden sich dort im Bereich Fusion natürlich auch die Scheiben von Herbie Hancock, Weather Report und Return To Forever. Ich liebe aber auch quasi alles von Roy Ayers und habe erst kürzlich Azymuth für mich entdeckt, die ich gerade sehr abfeiere. Ansonsten fallen mir auf die Schnelle noch Donald Byrd, The Blackbyrds, Bobbi Humphrey, Crusaders, Lonnie Liston Smith, Jimmy Smith, Jaco Pastorius, Les McCann, Billy Cobham und der große Idris Muhammad ein. Selbst Bob James kann ich mir immer mal wieder anhören.

So sieht es ganz grob bei mir in Sachen Fusion aus. Oder ist das eher Jazz Funk? Wo sind die Grenzen? Egal, Hauptsache, es macht Spaß! Wink

Nehme gerne auch noch Tipps zur Erweiterung meines Horizonts entgegen...
(22.08.25, 10:59)RO55 schrieb: [ -> ]Oder ist das eher Jazz Funk? Wo sind die Grenzen? Egal, Hauptsache, es macht Spaß! Wink

Für mich ist es eher Jazz-Funk, der zweite Teil Deines Satzes ist aber die Kernaussage   Wink
(22.08.25, 10:59)RO55 schrieb: [ -> ]Ansonsten fallen mir auf die Schnelle noch Donald Byrd, The Blackbyrds, Bobbi Humphrey, Crusaders, Lonnie Liston Smith, Jimmy Smith, Jaco Pastorius, Les McCann, Billy Cobham und der große Idris Muhammad ein. Selbst Bob James kann ich mir immer mal wieder anhören.

Nehme gerne auch noch Tipps zur Erweiterung meines Horizonts entgegen...

In der Zeit, in der ich die von Dir genannten Herrschaften gehört habe, entdeckte ich das bei vielen Jazz-Hörern wenig beliebte CTI Label und somit
auch viele renomierte Jazz-Musiker, die in die Welt des Jazz mit Soul- und Funk-Elementen eintauchten. 

Daher empfehle ich Dir mal diese Phase von Joe Farrell, Freddie Hubbard, Gábor Szabó, Hubert Laws, Stanley Turrentine, Eumir Deodato oder Milt Jackson.