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Musikproduktionen - Damals und Heute - Druckversion

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Musikproduktionen - Damals und Heute - höanix - 16.05.21

Moin

Weil das Thema aufkam in einem Thread wo es nicht hingehört machen wir mal einen Neuen auf. Wink 

Meiner Meinung nach sind die neuen Musikproduktionen nicht schlechter als die alten, und die Toningenöre sind auch nicht schlechter als damals.
Ich bin mir ziemlich sicher das die heute veröffentliche Musik sich genau so anhört wie von der Musikindustrie gefordert!
Und um das genau so hin zu bekommen müssen die Verantwortlichen so wie damals wissen was sie tun.
Die verantwortlichen Künstler dürfen bestimmt auch ihre Meinung dazu äußern und segnen die Veröffentlichung ab.
Ob das uns, also den Musikhörern die Musik noch anders kennen gelernt haben, gefällt ist vollkommen irrelevant.
Die Musik wird heutzutage anders konsumiert als vor 50 Jahren und die Produktionen tragen dem Rechnung.
Es geht damals wie heute um Geld und womit am meisten verdient werden kann das wird gemacht.
Es gibt die modernen Hörer denen es so gefällt wie heute produziert wird, und es gibt uns ewig gestrige sie weiter so hören wollen wie früher.
Allerdings sind die modernen Hörer in der Mehrzahl und für die wird optimiert auch wenn es uns nicht gefällt.

Ist halt nur meine Meinung aber wir können hier gern darüber diskutieren.

Gruß Jörg


RE: Musikproduktionen - Damals und Heute - HifiMinimalist - 16.05.21

Für alles gibt es eine/n Gleichstellungsbeauftragte/n , warum hierbei nicht?   Cool


RE: Musikproduktionen - Damals und Heute - Jan - 16.05.21

Es war eine Zeit lang brauch, die Aufnahmen immer lauter zu machen. Das ging dann am Ende natürlich zu Lasten des Dynamikumfangs. Wenn man den mittleren Pegel anhebt, kann man entweder die Bandbreite reduzieren oder man komprimiert die Spitzenpegel.
Ganz deutlich war das bei Led Zeppelins Album Mothership. Das war einfach nur laut. Zwischenzeitlich ändert sich das wieder ein wenig.
Ein weiteres Problem ist die Unsitte der verlustbehafteten Kompression. Bei Lauten Pegeln verwirft man einfach die darunter liegenden leisen Töne.
Dadurch verliert die Musik an Tiefe. Der Vorteil dieser Kompression ist, dass das Signal weniger komplex ist und auch durch einfachere Gerätschaften halbwegs wiedergegeben werden kann. Es reichen also billigere Lautsprecher.
Wie man es dreht, am Ende ist das Ergebnis bescheiden.

Ob deshalb die Tontechniker heute schlechter sind? Ich halte das für eine gewagte These. Schlechte Arbeit gab es immer schon. Vieles davon ist heute aber zu Recht vergessen


RE: Musikproduktionen - Damals und Heute - Lenni - 16.05.21

Hi Jörg,

natürlich war es von mir etwas übertrieben dargestellt. Auch eine digitale Abmischung muss man erstmal schaffen. 
Digital hat den Vorteil dass man theoretisch beliebig filtern und anpassen kann. Das bringt natürlich auch für die Bands einen gewissen Vorteil. Die Aufnahme geht meist schneller.. 
Zudem waren die “alten“ Aufnahme- und Produktionsleiter sehr gut bezahlt es war ein netter Nebeneffekt diese recht bald in Frührente zu schicken. 
Als nächstes wurden die eigenen Presswerke geschlossen. (Hätte ich übrigens auch gemacht, denn schließlich galt die Schallplatte als tot) 

Und fairerweise muss man auch sagen dass der HiFi Freak dann irgendwann auch alles digital haben wollte, also auf den CDs sollte “DDD“ drauf stehen.

Und irgendwann kam dann das mp3 Format.. Musik wurde viel mobiler, und die Aufnahme musste nicht nur zu Hause gut klingen, sondern auch im Auto, auf dem Handy über kleine aktiv Boxen am Rechner usw..
Und schon begann der Spagat, den Du beschrieben hast, womit Du auch absolut recht hast.. 

Heute ist Vinyl wieder gefragt. Gepresst wird es nicht mehr bei den Labels selber, sondern bei externen Firmen. 

Und, das muss man fairerweise auch sagen, früher gab es auch schlechte Pressungen. 

Und, dann sind wir auch eine recht kleine Gruppe derer, die sich hinsetzen und ein Album am Hörplatz durchhören.. 
Ich habe viele Freunde, die Musik begeistert sind, die hören dann das neue Album beim kochen, im Auto usw.. Das ist der Trend, leider... 

So klingt beispielsweise mp3 im Auto oftmals besser als die cd, da viele Details durch die Nebergeräusche eh untergehen.. 

Um es kurz zu sagen, heutige Aufnahmen sind wohl etwas wie ein SUV, kann alles aber nichts richtig.. 

Aber, es geht wieder langem in die andere Richtung. In den USA wird wieder mehr Vinyl als cd verkauft.. Analoge Mischpulte werden wieder instand gesetzt.. Denn, wie bei “den Geistern die ich rief“ lässt sich mit Streaming nur schlecht Geld verdienen..

Es gibt sie langsam wieder, die voll analoge Aufnahme, die auch gut klingen kann. Bisher sind es kleine Projekte aber wer weiss was draus wird...


RE: Musikproduktionen - Damals und Heute - Lenni - 16.05.21

Folgende Aufnahme beweist dass es auch anders geht.. 
Hier die remasterte Version, die aber praktisch nichts durch das remastern verloren hat.
(Im Hip-Hop wurden die meisten Aufnahmen erstmal analog eingespielt.)
Ich habe mir diese Platte gekauft, da ich in einer Dokumentation folgendes Statement von einem Musik Produzenten gehört habe:
“ich weiss nicht wie die es gemacht haben, aber dieses Album klingt immer grandios. Egal ob du in einem Hörraum sitzt, oder nur ein Koffer Radio hast...“

Daraufhin habe ich das Album bestellt.. Und es stimmt tatsächlich.. 

Leider nicht meine Musik, macht aber dennoch viel Spaß es zu hören..
   


RE: Musikproduktionen - Damals und Heute - gelöschter_User - 16.05.21

Aber natürlich ist die Qualität heute deutlich schlechter als früher. Und das ist nicht ein plötzlich einsetzender sondern war ein schleichender Prozess.

Es gab Zeiten, da entwickelten sich Aufnahme- und Wiedergabetechniken synchron. Ohne einen Fortschritt auf der Einen Seite gab es keine Weiterentwicklung auf der anderen Seite. Auch war die große Kunst die Mikrofonierung - also das Platzieren der Mikros im Raum und die Auswahl des Mikros mit der zum Raum und der Aufnahmesituation passenden Richtcharaketeristik. Viel basierte hier auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen z.B. der Reichsrundfunkgesellschaft und deren ersten Stereo-Versuchen ab 1941 und sehr ähnlichen Erkenntnissen, der RCA, der Columbia, der Decca und der EMI. So entstand z.B. der Decca Tree und das unter diesen Pseudonym beschriebene Aufnahmevorgehen  inkl. klaren Anweisungen für die Mikrofonierung war für viele fulminante Klassik-Einspielungen verantwortlich. 

Diese Einspielungen haben Raum, Tiefe, eine klar strukturierte Bühne, Schmelz, fingen alle notwendigen Informationen ein, so dass man auch das Knarzen der Bühnenbretter oder das Rascheln der Kleidung einfangen und wiedergeben konnte. Wir hören ein realistisches Abbild der damaligen Aufnahmesituation und sitzen quasi im damaligen Konzertsaal und können dem damaligen Konzert lauschen.

Selbst davon erstellte Mono-Schallplatten haben Raum mit realistischer Tiefe, Breite und Höhe.

Anfang der Siebziger kam dann die Multimikrofonierung bei der jedes Instrument und jede Stimme ein eigenes Mikro bekam. Eine sehr bekannte frühe multimikrofonierte Aufnahme ist übrigens die Einspielung der La Boheme unter Karajan in der Christus Kirche zu Berlin. 

Räumlichkeit entsteht seither "nur noch" am Mischpult beim Mastering und über die Jahre wurde daraus nur noch die Variation von Phase und Pegel.

In den Achtzigern setzte sich dann bei moderner Musik die Nutzung der Midis durch. Auch wenn diese heute hunderte von Spuren ermöglichen, so sind diese Spuren alle nur Mono und der Toningenieur muss beim Mastering daraus erst ein irgendwie geartetes Stereo erstellen/ kreieren. Auch das passiert heute nur noch durch Pegel und Phase.

In der U-Musik wurde damals ebenfalls viel Aufwand in das Arrangement und die Aufnahme investiert. Der Druck auf die Musiker war deshalb so hoch, weil die Studiotage budgettechnisch begrenzt haben werden müssen. Heute gibt es Software, da müssen sich die Musiker noch nicht mal mehr im Studio treffen sondern können mit dem (zweifelhaften) Heim-Equipment einspielen, die Software lässt dann sogar die Zeitkorrektur zu, so dass z.B. ein im Timing nicht passender Sänger zu dem Spiel des langsamer klampfenden Gitarristen passend gemacht werden kann.

Das was da heute rauskommt hat je Stimme bereits deutlich unterschiedliche Qualität und ist wiederum nur Mono. Es geht nicht nur um die sich ggf. deutlich unterscheidende Ausstattung der Musikerhaushalte sondern auch um technische Fehler in deren SetUp wie Phasendreher, Brumm, Störgeräusche sondern auch noch darum, dass der Musiker ja mit Filtern, Kompressoren und Co. rumspielt um einen bestimmten Sound zu erhaschen, aber nicht bedenkt, welche Auswirkungen das auf die Signalspur und das Signal haben wird. Das machte früher ein gut ausgebildeter Toningenieur. Heute kann der Toningenieur Fehler in diesem Bereich gar nicht mehr ausgleichen sondern er kann nur mit Filtern und Phase und Pegel (auch für die Stereo-Imitation) arbeiten. Die Qualität des Signals leidet also zusätzlich. 

Und wir sind wieder zurück beim lächerlich komischen Ping-Pong-Stereo. Heutigen Einspielungen fehlt die Mitte fast vollständig. Das ist ein Nebeneffekt von ich generiere den Raum mittels Phase und Pegel. Da wir aber durch immer höher werdende Kanaltrennung darauf schon vor Jahren Geeicht wurden - zuerst bei den Radioabteilen in unseren Anlagen, danach durch die CD - fällt das heute Keinem mehr wirklich auf, solange man nicht Altes mit Neuem direkt vergleicht.

Aufgrund der wissenschaftlichen Herangehensweise der Reichsrundfunkgesellschaft, deren Aufzeichnungen und der Aufbereitung durch die AES wissen wir heute aber, dass Stereo mehr als nur Pegel und Phase ist. Für die Information zu Position auf der Bühne und deren Tiefe braucht es die Information aus der Mitte und dem hier genutzten nierenförmig aufzeichnenden Mikros. Heute optimiert man im Mastering für die Wiedergabetechnik des meistverbreiteten Nutzungsverhaltens - Kopfhörer/ Ohrstöpsel und kann gar keine großen Dynamiksprünge mehr abbilden, weil man ja grundsätzlich schon viel Druck und hohen Pegel benötigt, um bei diesen kleinen Gehörgangskrücken sowas wie Bassempfinden herzustellen (aka Loudness-War) und den Kindern die Ohrmuschel und Hörfähigkeit schon im jungen Alter zu versauen.

All das hat nichts mit "die Einspielung und daraus entstandene CD oder Schallplatte können nicht anmachen oder gefallen" zu tun. Musik bewegt auch dann, wenn sie aus einem Küchenradio trällert. Nur hat das heute halt nicht sonderlich viel mit gutem Handwerk und Qualität zu tun sondern nur mit eine Industrie nimmt die Künstler und die Menschheit aus, maximiert den eigenen Gewinn und bedient den Markt optimal. Wenn wir also über Veränderungsfähigkeit reden, dann hat die Musikindustrie hier quasi die Gene der Mafia und nicht die eines deutschen Beamtenapparates. Jede Veränderung im Nutzungsverhalten wird sofort aufgegriffen und entsprechend darauf reagiert.

Vielleicht besteht ja in den Billboard-Magazinen doch ein Zusammenhang zwischen den dort beworbenen und besprochenen einarmigen Banditen und Spielautomaten, den Formatstreiten (Tonband, Cassette), den Charts und der Auswahl, welcher Künstler bei welchem Label einen Vertrag erhalten hat bzw. wird und was das Label damit macht.


RE: Musikproduktionen - Damals und Heute - Lenni - 16.05.21

@"Don_Camillo"
Das war leider schon immer so. Es ging um Gewinn..
Bzw. um Grundlagen Forschung beim damals wichtigsten Propaganda Medium..
Dann kam aber noch etwas hinzu. Die Labels fühlten sich wie die Könige der Welt.. Dann traten Apple, Amazon und Co. auf die Bühne.. Diese brachten sofort eine riesige Marktmacht mit.. Fortan hatten die Labels zu spuren.. Also wurde noch mehr gespart.. 

Theoretisch kann man heute noch genau so gut produzieren, aber mit den paar Lp Verkäufen finanziert sich dieser Aufwand nicht wirklich..


RE: Musikproduktionen - Damals und Heute - höanix - 16.05.21

Moin

Zur Produktion kann ich nur Vermutungen anstellen da ich davon keine Ahnung habe.
Ich kann nur das mir vorliegende Ergebnis beurteilen ob es mir gefällt oder nicht.
Da muss ich sagen das es sich durch die Komprimierung für mich nicht mehr so gut anhört.
Das betrifft allerdings nur das hören mit der Anlage, unter anderen Umständen hat sie auch Vorteile.
Als Hintergrundberieselung oder bei erhöhten Nebengeräuschen wie im Auto kann man der Musik viel besser folgen.
Ich finde es schade das die Kompressoren nicht in die Abspielgeräte integriert werden.
Dann könnte man die Musik den eigen Vorlieben anpassen und wäre nicht so festgelegt.
Das wäre optimal wenn es sich auf der Anlage genau so gut anhört wie beim joggen oder auf der Autobahn. Angel 

Gruß Jörg


RE: Musikproduktionen - Damals und Heute - HifiMinimalist - 16.05.21

Da kauf ich mir richtig teuer Zeug um Guten Hey Änd zu hören,und DU willst das alles kaputt machen, nur weil man es dekompomprimieren könnte. Mit nur einem GERÄÄÄÄT.
ZUM JOGGEN!!!!

Nänänänähh  Big Grin


RE: Musikproduktionen - Damals und Heute - höanix - 16.05.21

Das hast du falsch verstanden, normaler Auslieferungszustand soll das audiophile High-End-Mastering sein.
Komprimieren können dann die mobilen Endgeräte je nach Umgebungsgeräuschen übernehmen. Wink 

Gruß Jörg