18.12.21, 12:56
(18.12.21, 12:29)Jan schrieb: Ich glaube, dass es eigentlich für eine kleine Manufaktur kein großes Problem ist, einen technisch ausgefeilten neuen Plattenspieler zu entwickeln.
Was ist denn ein Plattenspieler?
Ein Antrieb mit einer Regelung. Antriebe sind ein alter Hut und diese mit einer modernen Regelung zu kombinieren, ist heute günstiger denn je.
Dann brauchen wir ein Gehäuse, das ist nun auch nicht so die Raketenwissenschaft, wenn man nicht jeden Cent 3x umdrehen muss.
Der Arm. Arme sind viel banaler, als es die Fans wahrhaben wollen. Fertigungstechnisch sicher nicht billig, aber eben auch nichts, was man nicht auch schon vor 70 Jahren bauen konnte. Heute hat man ein paar mehr Materialien zur Auswahl.
Über einen Deckel müssen wir wohl nicht ernsthaft reden.
Mehr ist es nicht
Auf den ersten Blick stimmt das.
Aber bei den meisten "Manufakturen" hast Du entweder Quereinsteiger, Elektroniker oder Maschinenbauer. Die verstehen also entweder sehr wenig von der Technik und kaufen zu oder nur von einer der vielen Disziplinen genug um das Projekt anzugehen. Zudem sind gerade die Manufakturen vielleicht nicht wie eine große Firma direkt vom Rotstift (aber auch nur dann wenn man hier maximalen Enthusiasmus unterstellt) getrieben, aber indirekt müssen sie sich an den Preisniveaus der Großen durchaus orientieren und haben dann noch das Problem der hohen Vorlaufkosten und des deutlich geringeren Absatzes. Deshalb wird erst recht dort mehrheitlich die Innovation gescheut, da diese in der Kalkulation eigentlich überhaupt keinen Platz mehr hat.
Schaut man sich den Markt und die technischen Umsetzungen an, dann setzen nur die Wenigsten auf eine ordentliche Regelung für den Motor sondern bedienen sich den einfachsten Konzepten, die es da gibt. Und selbst mit einer ausgefuchsten Regelung kann man die systemimmanenten Probleme eines Riemenantriebes (Dehnungsschlupf) und dem für einen Plattenspielerantrieb nötigen Übersetzungsverhältnis (aufgrund nicht anderer Verfügbarkeit der Motoren) nicht lösen. Dazu gehört mehr und das hat kommerziell bislang nur ein einziger freier Entwickler weltweit (Frank Schröder) technisch vollständig durchdrungen - alle anderen stochern da im Nebel und suchen Auswege über Mehrmotorantriebe und anderen Quatsch.
Wenn es um die Zarge oder das Gehäuse geht, dann sind die Jungs heute ja mehrheitlich von der Optik getrieben und versteifen sich deshalb nur auf Brettspieler oder Masselaufwerk - weil simpel und billig - oder klassischen Look und damit quasi eine Kopie des ehrenwerten Oldtimers aus den 70ern oder 80ern, den der Namensgeber damals auch im Programm hatte, damit es einen irgendwie gearteten und marketingtechnisch ausschlachtbaren Wiedererkennungswert gibt. Innovation gibt es da ebenfalls nicht sondern nur das Aufwärmen alter Ansätze, die dann, wenn kein ausreichendes technisches Know How dazu vorhanden ist, etwas abliefert, was um Klassen schlechter ist als das damalige Original.
Will man unbedingt mit heutigen "technischen" Möglichkeiten argumentieren, dann ist das vollkommen unverständlich, weil heutige Computertechnik ja eine finite Elemente Analyse recht einfach ermöglichen würde. Dazu fehlt aber idR einer Manufaktur einfach das Budget und zudem meist auch das Know How vollständig. Bei einem Großserienhersteller wäre es dagegen (eher) vorhanden.
Da steckt also so viel mehr drin in dem Thema als eine Reduktion auf Antrieb, Lager, Teller, Zarge, Tonarm auf den ersten Blick anzeigt. Und ja, Technics hat das beim SL-1000r recht plakativ vorgemacht, was technisch möglich ist, wenn man das Thema konsequent angeht. Das hat dann aber auch wieder seinen Preis und den sind die Wenigsten bereit zu bezahlen und noch Mehr können das auch gar nicht.
Ich kenne z.B. auf europäischem Boden keine Manufaktur, die einen wirklich guten, ausgefuchsten und den alten Direkttrieblern technisch überlegenen Plattenspieler bauen würde. Prüft man diese Kreationen z.B. mit einem Ortofon TC3000 auf Herz und Nieren, dann zeigt sich schnell, dass ein knapp 50 Jahre alter DUAL 701 in allen technischen Belangen den modernen Kontrahenten übertrifft. Geht man dann den Weg und nimmt die DUAL Antriebseinheit, pflanzt diese in ein Brett und paart sie mit einem Tonarm und Tonabnehmer der auch auf dem Kontrahenten sitzt, dann gibt es regelmäßig Geschrei und feuchte Augen.
Selbst zu den alten Originalen können die Namensverwerter (wie z.B. PE oder Thorens) nicht mal ansatzweise aufschließen. Realistisch betrachtet fährt man mit einem alten Thorens TD-125 immer noch besser als mit einem modernen TD-irgendwas.