10.01.24, 18:31
Oh, Leute,
wir kommen von Hölzchen auf Stöckchen...
- aber interessant ist es auf alle Fälle und das, was Rolf wohl auch wollte, nämlich mal darüber nachzudenken, was alles den Klang beeinflusst, erreichen wir auf diesem Weg auch. Okay, die Systematik, die Rolf eigentlich ganz gut vorbereitet hatte, ist futsch
... aber dafür geht's hier echt lebendig zu.
Auf einen Punkt der Diskussion würde ich noch einmal gerne eingehen:
Das Beispiel kam von Lenni.
Alle Betrachtungen, die ich gerade angestellt habe, beziehen sich auf "klassische" Musik. Bei Rock- und Popmusik gilt nichts von alledem - es sei denn, man befindet sich im Proberaum einer Band und die Schallquellen sind autark. Aber diese Situation erleben nur wenige und sie ist für uns in dieser Betrachtung auch nicht wirklich relevant.
wir kommen von Hölzchen auf Stöckchen...


Auf einen Punkt der Diskussion würde ich noch einmal gerne eingehen:
Zitat:Ein Geiger auf 10 Uhr, einer auf zwei Uhr.
Spielt nur der linke, so kannst Du die Position dieser Mono Quelle gut bestimmen.
Würden nun beide Geiger absolut identisch spielen, so hättest Du einen Geiger auf 12 Uhr.
Also eine Illusion.
Kannst die Geiger natürlich auch durch Lautsprecher ersetzen.
Das Beispiel kam von Lenni.
- Das Problem bei dem Beispiel ist, dass Geigen (übrigens auch Sänger - siehe Beispiel Phil Collins) gar keine punktförmigen Klänge erzeugen. Bei Geigen kann man das gut am Korpus der Geige erkennen, die erstens zwei Schallaustrittsöffnungen hat und zweiten sowohl unten als auch oben (dort sogar noch mehr) gewölbte Resonanzflächen hat. Durch die Wölbung verteilt sich der Klang, der zusätzlich aus den F-Löchern strahlt, direkt in zwei Richtungen und das ist auch gewollt, damit der Klang sich möglichst schnell vom Klangerzeuger löst und homogen im Raum verteilt, denn alle wollen etwas vom Klang der Geige haben. Gleiches gilt für alle möglichen anderen Instrumente - mehr oder weniger. Es gibt natürlich Instrumente, die ihren Klang stärker bündeln (Posaunen und Trompeten beispielsweise, die horizontal nach vorne abstrahlen und trotz Schallbechers den Klang im Raum nicht besonders streuen).
- Bei Sängern ist das nicht so offensichtlich, denn wir denken an den Mund, der keinen besonders ausgeprägten Schallbecher bildet und damit noch stärker bündeln müsste als die Blechbläser aus meinem Beispiel. Aber wir vergessen die von professionellen Sängerinnen und Sänger aktivierten Resonanzflächen im Kopf (!) und Brustbereich. Der Kopf ist bekanntlich rund und strahl in alle Richtungen ab, größere Auswirkungen haben aber die Brustresonanzen (dazu zählt bei Sängern auch der Rücken!), die immerhin in zwei Richtungen weisen und vorne leicht gewölbt sind (siehe Violine!). Natürlich: die Formantenbildung, die besonderen Eigenschaften der Konsonanten (etwa Plosiv- und Zischlaute) usw. spielen sich im Mundraum ab und für die Verständlichkeit ist die vordere Seite des singenden Subjekts daher entscheidender. Der Ton aber entsteht im Hals und von dort breiten sich seine Resonanzen aus. Wir haben damit ebenfalls keine punktförmige Quelle.
- Jetzt ist es so, dass Musiker - selbst die besten ihres Faches - niemals absolut identisch spielen können. Das liegt nicht nur an der Varianz des Spiels, sondern auch an der des Instruments. Wir haben also immer Differenzen in der An- und Absprache, in der Ausprägung des Klangs, in der Phrasierung etc. Letzten Endes ist auch das, was die Musiker produzieren, niemals phasengleich (deshalb klingt ein Streichorchester auch weicher und angenehmer als ein Solo-Geiger, weil durch Phasenauslöschungen dieser weiche, symphonische Klang entsteht - und Gleiches gilt für Chöre gegenüber Solo-Vokalisten).
- Da das so ist, kann ein Dirigent auch genau adressieren, welcher Musiker was spielt und korrigierend eingreifen. Und wenn wir unser Gehör üben, können wir das auch!
- Erstaunlicherweise geht das noch viel leichter in einer Live-Situation als bei einer Aufnahme, weil die Dreidimensionalität des Raums möglicherweise hilfreich ist. Ich vermute aber, dass noch etwas ganz anderes hilft: das menschliche Ohr, dessen Ausformung nicht nur links und rechts, sondern auch oben, unten, vorne und hinten unterscheiden kann. Bei der Bestimmung einer Schallquelle sind evtl. auch ihre Reflexionen hilfreich. Mikrofone hingegen können nur den Schall einer Richtung entgegennehmen (wenn sie Nieren-Charakteristik haben) oder sie vermischen direkt alles (wenn sie Kugelcharakteristik haben). In einer Aufnahme ist es daher schwerer exakt zu orten, weil das Mikrofon den biologischen Vorteil der Ausformung der Gehörmuschel zunichte macht und das Gehirn mit den Informationen solcher Schallquellen nicht mehr so differenzieren kann wie in einer Live-Situation.
- Egal, wie löblich die räumliche Auflösung einer Stereoanlage ist - an eine Live-Situation kommt sie nie heran, auch wenn die Illusion verblüffend sein kann. Vielleicht kann man das mit einem sehr guten Foto oder Film vergleichen, der eine differenzierte Vorstellung des Aufgenommenen vermitteln kann - aber nicht Erlebnis, dabei gewesen zu sein.
Alle Betrachtungen, die ich gerade angestellt habe, beziehen sich auf "klassische" Musik. Bei Rock- und Popmusik gilt nichts von alledem - es sei denn, man befindet sich im Proberaum einer Band und die Schallquellen sind autark. Aber diese Situation erleben nur wenige und sie ist für uns in dieser Betrachtung auch nicht wirklich relevant.
Viele Grüße
Darwin (Thomas)
Darwin (Thomas)