sind hier auch Fans sehr alter Dreher anwesend ?
#1
hallo,

vor einigen Jahren habe ich mich mal sehr intensiv mit einer Zeit auseinandergesetzt, die ich "Prä-HiFi-Ära" getauft habe. Es ist die Zeit zwischen Kriegsende 1945 und dem "offiziellen" Beginn der HiFi-Ära in den sechziger Jahren. In der Zeit hat bei der Audiotechnik eine Innovation stattgefunden, wie man sie eigentlich nur aus der Frühzeit der Heimcomputer und des Internet kennt, leider hat das bis heute kaum jemand gemerkt. Das Hauptproblem ist, dass in den fünfziger Jahren im Gegensatz zur Heimcomputer-Zeit nur wenige Menschen an diesen Innovationen teilhaben konnten, und es deshalb auch bei kaum jemandem Erinnerungen hinterlassen hat.

Auch wenn die Technologien schon vor dem Krieg verfügbar waren, hatten es nur zwei Medien geschafft, volkstümlich zu werden - der AM-Rundfunk und das Grammofon. Elektrische Plattenspieler, die im Grunde auch nur Grammofone waren, waren schon ein Luxusgut, die magnetische Tonaufzeichnung auf Draht oder Tonband war für Privatleute unerreichbar. Nach dem Krieg sorgte dann der Kopenhagener Wellenplan dafür, dass Deutschland den größten Teil seiner Rundfunkfrequenzen verlor, und sich was überlegen musste - rausgekommen ist der schnelle Aufbau eines UKW-Netzes, und dieses am Anfang ungeliebte Kind wurde wegen seines guten Klangs schnell beliebt und in den fünfzigern zum Innovationstreiber bei der Elektroakustik. Der zweite Aspekt war, dass Magnettontechnik für Privatleute erreichbar und bezahlbar wurde, und die Mikrorillenschallplatte verlangte nach völlig neuen Plattenspielerkonstruktionen. Auch wenn es bis heute niemand sehen will, aber das, was wir heute als "ollen Musiktruhenwechsler" abtun, hat Anfang der Fünfziger bei der Schallplatte eine Zeitenwende eingeläutet.

Was die Zeit für einen "Hobby-Technikhistoriker" wie mich so interessant macht, sind einmal die Schrulligkeiten - Erfindungen mit nur kurzer Lebensdauer wie z.B. der Plattenwechsler Blaupunkt Phonomat, den man auch mit einer Vorrichtung zum Bespielen und Abspielen von Magnetplatten bekommen konnte. So ein Gerät habe ich in natura noch nie gesehen, es war u.a. in der Blaupunkt Raumton-Truhe eingebaut. Das System mit den Magnetplatten wurde bei den Assmann Diktiergeräten zum Erfolg, in der Unterhaltungselektronik war es nur eine kurze kaum bekannte Episode. Eine weitere Skurrilität war das Schaub Supraphon/Lorenz Heimstudio, ein Laufwerk, auf dem man Schellackplatten abspielen und gleichzeitig auf Tondraht aufzeichnen konnte - mit einer Mechanik. Das frühe Radio-/Supraphon von Anfang der Fünfziger Jahre ist eine schöne Mischung aus Vorkriegsresten und beginnender neuer Technik, an kaum einem andereren Gerät kann man so schön den Übergang sehen. Dann gab es noch das Tefifon, das ja im weiteren Sinn auch ein Plattenspieler ist, und das in den frühen Versionen auch mit Magnetton verfügbar war, und einer Kombination aus steckbarem Tonarm und Plattenteller-Cassette, um normale Schallplatten damit hören zu können.

Das zweite Faszinerende ist, dass schon in den Fünfziger Jahren nicht nur Firmen wie Marantz oder Quad Aktivitäten in Richtung HiFi betrieben, sondern auch die deutschen Hersteller. Perpetuum Ebner brachte 1951 das neu entwickelte mikrorillentaugliche Laufwerk auf den Markt, auf dem später der bekannte Wechsler "Rex" aufbaute, und von Anfang an wurden von den Laufwerken sogenannte Sonderklasse-Versionen gebaut, die sich vom Standardmodell durch ein Magnetsystem und einen integrierten Entzerrer Vorverstärker unterschieden. Für den HiFi Fan markieren die beiden Plattenspieler PE33 und Dual 1009 den Beginn des deutschen HiFi-Plattenspielers, aber platt formuliert war es nur das Ende einer über zehn Jahre dauernden Entwicklung, die dann in ein für jeden als HiFi erkennbares Design gegossen wurde. Der Vorläufer des Dual 1009 war z.B. der 1006 M bzw. 1006 AM, ebenfalls schon bestückt mit einem 1/2" Stereo - Magnetsystem und einem transistorisierten Stereo Entzerrer Vorverstärker, nur sah dieser Plattenspieler mit seinem grauen Plastiktonarm so sehr nach Musiktruhe aus, dass ihn bis heute niemand als Technik-Ikone wahrnimmt. ELAC baute ebenfalls frühzeitig HiFi-Laufwerke mit Magnetsystem und erfand 1957 das "echte" Stereo-MM-System, nach dessen Prinzip bis heute jedes MM-System aufgebaut ist. Auch diese Tonabnehmer gingen sofort in die laufende Produktion, nur, dass man derartig ausgestattete Plattenspieler kaum von normalen Musiktruhenwechslern unterscheiden kann.

Ich habe über die Jahre einige dieser Geräte eingesammelt, wenn man was findet, ist es oft nichtmal teuer, aber man muss echte Trüffelschwein Fähigkeiten entwickeln. Was ich so schade finde, ist, dass das Thema kaum auf echtes Interesse stößt. Der 500.000-ste Dual 1219, der vom Sperrmüll gerettet wird, wird ausgiebig gefeiert, mit den alten Kisten sitzt man aber irgendwie immer zwischen den Stühlen - für die Grammofonsammler ist es "neumodisches Zeug", für die HiFi-Fans "alter Schrott". Nur hin und wieder wird ein Teil aus der Zeit populär, führt dann aber nicht dazu, dass die alten Stücke mehr Wertschätzung erfahren, sondern genau zu Gegenteil. So sind vor einigen Jahren ganz viele Spitzengeräte von Saba der "Greencone-Hysterie" zum Opfer gefallen, und im Moment tobt überall der Hype, dass die Fanboys nach "echten" Mono-Magnetsystemen suchen, und dabei das wenige, was noch übrig ist, endgültig zugrunderichten.

Mich würde mal interessieren, ob hier noch Leute rumlaufen, die sich für Phonotechnik der fünfziger Jahre interessieren, oder ob jemand eine Idee hat, wo dieses Thema zuhause sein könnte. Vor einigen Tagen sind mir drei Sonderklasse-Laufwerke "zugelaufen", und haben das Thema bei mir nach längerem Dornröschenschlaf wieder wachgerüttelt.

Gruß Frank
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#2
Ich finde die allen Dreher schon sehr interessant. Leider verstecken die sich gerne in riesigen Musiktruhen. Das macht dann alles sehr viel schwieriger. 
Man braucht viel Platz in der Bude. Kann eigentlich nur lokal kaufen, da ein Versand ausscheidet.. 
Ich besitze somit lediglich ein Grammophon aus den 20 er Jahren. Dann ein Braun Röhrenradio aus den frühen 50 ern. Dann kommt auch schon fast der Thorens Td 150. Ist also definitiv noch eine große Lücke bei mir vorhanden
Manchmal, wenn ich ein bisschen neben mir stehe und gucke, was ich da so mache, muss ich plötzlich grinsen. Und dann lachen wir beide.  Big Grin
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#3
Hallo Frank,

das hört sich alles verlockend an, aber wie Lenni schon geschrieben hat, es sind dann meistens diese großen Truhen oder Brotkästen die so etwas für das breite Sammlerpublikum uninteressant macht und wie ich finde benötigt man dann auch noch das Medium dazu. Also die passenden Platten. Aber spätestens dann bin ich raus. 

LG
Ingolf
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#4
Es gibt einige alte schöne Geräte die auch mein Interesse wecken aber halt wirklich viel zu selten sind, wie der PE3310 Studio oder auch der TO1000 Telefunken Tonarm, um mal etwas ganz altes zu nennen. Auch der Dual 1006 ist interessant da er das erste Gerät mit gewissen Ambitionen war. Leider ebenfalls sehr selten zu finden und meistens dann relativ teuer. Daher ist das älteste was ich Phono mäßig hier habe ein PE 33 Studio und ein Dual 1007. Bei Röhrenradios sieht das schon ein bisschen anders aus, da existiert hier auch ein eigener Thread zu. Aber hier geht es ja eher um Phono Technik.
Gruß
Jan-Cedric
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#5
Oh ja, den PE3310 kannte ich noch gar nicht.. 
Ja, den hätte ich auch gerne..
Manchmal, wenn ich ein bisschen neben mir stehe und gucke, was ich da so mache, muss ich plötzlich grinsen. Und dann lachen wir beide.  Big Grin
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#6
Hmm, also, ähm, aber ja. Bei mir gibt es "Rundfunk- & Studiotechnik" ab den 40ern. Bei DIY und Röhre greife ich sogar auch gerne auf Schaltungstopologien der 20er und 30er Jahre zurück.

"Rundfunk- & Studiotechnik" die bei mir zu finden ist

Fairchild 412, Rek O Kut LP743, QRK 12c, Garrard 401, EMT 930, Fairchild 225A, General Electric RPX, Pierre Clement E25B, Audak/ Audax KT-16, Livingstone Universal, Ortofon SMG-212, Ortofon RMG-212i, Gray Research 602-C, Altec und JBL Lautsprechertreiber

Allerdings ist wenig davon auch wirklich Stereo-tauglich und das Meiste spielt sich dann in Mono ab - was kein Nachteil ist, aber halt dann auch definitiv alte Mono-LP-Pressungen verlangt.
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#7
An die ganze Auslandsware habe ich noch gar nicht gedacht, da gibt es natürlich diverse interessante Geräte. Das Pierre Clement E25B mit der roten Kapsel vorne ist überdies mehr als scharf! Auf sowas hätte ich auch richtig Lust.
Gruß
Jan-Cedric
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#8
Wir hatten früher zu Hause so einen alten Musikschrank wo die linke Hâlfte ein Barschrank mit Glastür war und rechts hinter einer Schiebetür ein Plattenspieler und ein Radio eingebaut waren. Außerdem standen rechst auch noch 50 Singles der 50ger-60ger Jahre. Die Singles habe ich noch.

Genau so ein Teil wird hier gerade auf eBay angeboten:

https://www.ebay-kleinanzeigen.de/s-anze...pp_android
Viele Grüße Christian
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#9
die Plattenspieler, die ich meine, verstecken sich leider eben nicht in den Musiktruhen. Die Musiktruhenhersteller haben selbst in den größten Modellen üblicherweise ein Standard-Laufwerk verbaut, die Plattenspieler mit Magnetsystem waren was für betuchte Fans und für kommerziellen Einsatz. Die größte Menge ist als Chassis verkauft und zusammen mit dem Schrank weggeworfen worden, in den sie eingebaut war. Die Hersteller hatten noch Koffer und Schatullen mit den Luxusversionen im Programm, aber auch bei denen war der Preis der Knackpunkt für Privatleute. 350 statt 150 DM, für die Differenz musste ein Arbeiter Mitte der Fünfziger Jahre drei Wochen arbeiten gehen.

Gruß Frank
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#10
Ich kann mich an zwei alte Varianten erinnern. Das Eine war eine Riesen Musiktruhe mit einem monströsen Röhrenradio mit magischem Auge, einem PE Plattenspieler mit weißem Bakelitarm und, kleinen Barfach unter dem Radio und einem ebenfalls kleinen Fach unter dem Plattenspieler. Unten in dieser Musiktruhe war eine große Lautsprecherbox mit zwei Hochtönern, zwei Bass-Mitteltönern und einem gemeinsamen Bass für die unteren Frequenzbereiche. Irgendwie konnte das Teil sowas ähnliches wie Stereo. Das andere Teil war mein erster Plattenspieler. Ein Selbstbau meines Vaters mit eingebautem Transistror-Phono-Pre, welchen ich an meiner Philetta betrieben habe (auch wenn die nur mono konnte (und immer noch noch kann)).
Gruß

Jan


Hifi ist zu 40% Klang und 40% Optik. Der Rest sind Vorlieben.

Dreher im aktiven Einsatz:
JVC QL-Y55F, SABA PSP 910, Technics SL-1300, Hitachi PS-58

Abzugeben:
Sharp Optonica RP-5100, Luxman PD-284, Sonab OA5, SABA 60L

ToDos:
Dual: 1019, Dual 1219, Revox B795, Sony PS 5550, Technics SL-Q 33
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