Bolt Down, Chrome Bumper, Olive, Stonehenge und die Naimology
#1
Alles ist im Fluß; das bringt aber auch die Chance mit ein wenig Selbstreflexion das Hobby zum eigentlichen Ziel zurück zu führen - Musik hören. Da stellt man sich dann unweigerlich auch die Frage, wieviel HiFi und Aufwand ist dafür denn wirklich nötig?

Also habe ich mal einen unorthodoxen Weg eingeschlagen und wollte der vielgepriesenen Soundtextur der Naim-Geräte auf den Grund gehen. 

Naim Audio Visual wurde 1969 von Julian Vereker gegründet und vermietete anfangs ein selbst konstruiertes Lichtsteuerungssystem an Filmproduktionsfirmen. In 1973 kam die Endstufe NAP-200 und die Vorstufe NAC-12 sowie firmierte man zu Naim Audio um. Nicht nur die Herangehensweise sondern auch die Philosophie ist hier von Anfang an eine Andere. 

Als die Welt den DIN-Stecker ohne Grund verteufelte, hielt man bei Hr. Verecker daran fest, als die Gemeinde des Formatstreits überdrüssig wurde und nach Standardbreite in 43cm verlangte, hielt man bei Naim am Shoebox-Design fest und entsorgte nur die Schrauben der vorherigen Bolt Down Gehäusevariante und nannte das fortan Chrome Bumper, was irgendwie auch gleich optisch etwas mehr Wertigkeit suggerierte, als Japan auf Doppelmono-Netzteile und Class A setzte, beschäftigte man sich in Salisbury voller Überzeugung auch weiterhin mit einfachen Längsreglern, großen Elektrolytkondensatoren, den angestammten Schaltungsdesigns und brachte das SNAPs, später das HiCap und noch später das Alles auch in olive. Zudem ging es entwicklungstechnisch um die Verdrahtung und das Massekonzept. Zumindest die Endstufentransistoren entsprechen keinem Standardmodell sondern werden für Naim speziell und nach deren Vorgabe gefertigt, alle Bauteile vor Einbau selektiert und kanalgleich gematched. 

Alle drei Varianten (Bolt Down, Chrome Bumper, Olive) sind jeder für sich mehr gut bewährte Überzeugungstäter denn das Ergebnis echter großer Sprünge; die Grundschaltung sowohl in Vorverstärker als auch Endstufen entsprechen sich, nur die Versorgung der einzelnen Stufen in den Geräten änderte sich auf dem Weg von Strom bekommt die Vorstufe aus der Endstufe über das SNAPS zum HiCap und paßt dennoch typisch britisch von Anfang an zum etwas schrullig anmutenden Konzept. Technisch macht das aber alles und von Anfang bis Ende wirklich Sinn und ist auch schlüssig; da gibt es also keinen Hokuspokus und es ist voodoo-frei; nur bei der Kabelage hat sich Naim dem Presse- und Vertriebswillen ergeben und schwimmt auf seine ganz eigene Art und Weise sowie eher unbeirrt im Voodoo-Teich seine Bahnen. Die Verbindungskabel SNAIC gibt es in grey, black und mit dickem Stecker, wobei grey das Auslaufmodell, black das kleine Highend-Modell und das Ding mit dem dicken Stecker die Voodoo-Stufe für die Wahnsinnigen darstellt. Beim Lautsprecherkabel gibt es das NACA4 und NACA5 und es ist des Customers individual choise, wie tief das Loch im Börserl ausfallen darf, wobei das Loch im Vergleich zum Mitbewerb noch relativ sehr harmlos ausfällt.

Auch an anderer Baustelle bewegt man sich nicht mit dem Mainstream. Die Geräte wollen - wie alle anderen auch - gepflegt und gewartet werden. Das überläßt Naim nicht dem Hobbyisten sondern sagt ausdrücklich das soll nur den echten und nicht selbsternannten Profis überlassen werden. Jeder Naim-Händler kann diesen Service über das Werk seinen Kunden anbieten oder er ist selbst zertifiziert oder arbeitete mit einem entsprechend zertifizierten Betrieb zusammen. Da vereinfacht der Umstand das die Endstufentransitoren speziell für Naim gefertigt werden und die Zetec Transitoren der einzelnen Vor-Verstärker- und Treiberstufen mit Ihrer speziellen Güteklasse heute nicht nur nicht mehr auf dem freien Markt zu haben sind sondern auch diese Güteklasse nur Naim und deren Vertriebsweg vorbehalten war, diesen Duktus ungemein. Die Bastler der Welt können den für eine Revision benötigten Bauteile einfach nicht in Stückzahlen habhaft werden. Auch kann man den Wartungszustand und den Revisionsstand für jedes Naim Gerät im Werk anhand seiner Seriennummer erfragen und erfährt dann gleich auch noch, wer im Werk bzw. welcher Spezialist den letzten Service durchführte.

Deshalb finden sich selten verbastelte Geräte und die Preise für gebrauchtes Naim ist nur dann hoch und stabil, wenn die Geräte auch regelmäßig gepflegt und gewartet wurden. Das beruhigt ungemein und funktioniert anders als mit der britischen Politik hier ganz reibungslos und global. Das ist quasi ein selbstgewählter autodemokratischer Commonwealth.

Und jetzt wird´s magisch und skuril zugleich. Ich bin entzückt, nein so wirklich und richtig entzückt. Diese Chrome Bumper machen einfach Musik, machen richtig an und klingen so gar nicht typisch nach Transistor, wenn man mal wieder ein Klischee bedienen möchte.

Aber der Reihe nach: Gestartet bin ich mit einem Set bestehend aus olive NAC-92r, Flatcap, CD 3.5 und NAP-90/3, danach kam ein frisch revidiertes Set aus NAC-62, HiCap und NAP-140 dazu und zu guter Letzt ersetzte ich hier die NAC-62 durch eine NAC-32.5 und rüstete diese mit sowohl MC- als auch MM-Phonoboards aus.

   

Die Röhren sind jetzt erstmal eingemottet und es gibt fortan Musik mit vielleicht doch leicht magischen Zutaten aus der Nähe von Stonehenge; aber ich rücke noch keine Steine und pendle die nächste aufzulegende Scheibe auch noch nicht aus.
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#2
Ich glaube da sind wir doch fast alle gleich. 
Ich freue mich immer wenn jemand mal wieder alles auf den Kopf stellt, denn das heisst auch dass er noch in der Realität unterwegs ist. 
Es gibt, gerade bei HiFi in meinen Augen nur gut und noch besser als objektive Kriterien. Am besten gibt es nicht, denn es gibt ja immer auch viele subjektive Elemente die bedient werden möchten. 
Oft ist es auch nicht unbedingt besser, sondern nur anders, was auch sehr erfrischend sein kann.. 
Ein Hobby muss immer auch lebendig gehalten werden..
Manchmal, wenn ich ein bisschen neben mir stehe und gucke, was ich da so mache, muss ich plötzlich grinsen. Und dann lachen wir beide.  Big Grin
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#3
Oft ist es auch nicht unbedingt besser, sondern nur anders, was auch sehr erfrischend sein kann..
Ein Hobby muss immer auch lebendig gehalten werden..

Hallo Lenni,

so sehe ich das auch.
Die Jagd nach dem immer Besseren habe ich schon lange eingestellt.
Etwas Abwechslung muss ab und zu mal sein.

Viele Grüße
Jürgen
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  • Lenni
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