Broadcasting Standard der 50er bis 70er Jahre beim BBC - Garrard 301 & 401
#1
Der 1954 zuerst mit Fettlager vorgestellte Garrard 301 (Transcription Turntable - so der vollständige Name damals) war der erste Plattenspieler der Garrard Engineering & Manufacturing Company, welcher alle kommerziell verwendeten Wiedergabeformate der damaligen Zeit unterstützte; später kam dann ein Öllager und weitere kleinere Unterscheidungsmerkmale, wie die Farbe Hammerschlagsilber bzw. später Weiß, ein Plattenteller ohne oder später mit Stroboskopmarkierungen.

Welche Lagerversion klanglich überlegen ist, ist bis heute ein heißer und schließlich kämpferischer Diskussionspunkt. Trotzdem wurden alle Modelle von der BBC und mehreren anderen kommerziellen Radiosendern verwendet; dies hauptsächlich in Europa und sogar auf hoher See bzw. auf Schiffen und auch mobil in Übertragungswägen des Rundfunks.

Das 1965 eingeführte 401-Modell war mechanisch nahezu identisch, zeigte sich jedoch mit einem moderneren und neu gestalteten Äußeren. Sogar der Aufbau des Tellerlagers und hier insbesondere das Gehäuse sowie das Axiallager wurde anfänglich vom älteren 301 übernommen. Später führte Garrard dann ein leicht modifiziertes Axiallager sowie einige andere Änderungen an der 401-Mechanik ein. Hier wären z.B. eine etwas andere Wirbelstrom-Bremse und mit dem dann letztendlich vorgestellten dritten Modell des 401 auch einen noch leistungsstärkeren Motor. 

Die Plattenspieler der Modelle Garrard 301 und 401 sind seit langem nicht mehr in Produktion (seit 1976) und werden heute in der Regel sowie in Abhängigkeit vom Erhaltungszustand für gut das Zehn- bis Fünfzigfache ihres ursprünglichen Neupreises verkauft. Leider nehmen sich auch seit vielen Jahren Individuen diesen Modellen an, welche keinerlei Erfahrung und Ahnung von der Materie haben, so daß man auch immer mehr verbastelte Exemplare bis hin zu echten Totalschäden findet. Aber das sind die Schattenseiten des heutigen Hype.

In den letzten 20 Jahren habe ich zwei davon besessen und einige auch für Freunde restauriert.

   
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#2
(02.01.21, 23:17)Don_Camillo schrieb: In den letzten 20 Jahren habe ich zwei davon besessen und einige auch für Freunde restauriert.

Die Garrards sind tolle Dreher, die in der Wartung recht unkompliziert sind.

Vor 20 Jahren hat man sie noch für kleinstes Geld bekommen, heute werden Mondpreise aufgerufen.
Ich habe leider kein Exemplar behalten.

Mir persönlich gefällt der 401 besser th_up
Gruß
Michael
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#3
Bei der Wartung möchte ich ein wenig widersprechen. Man muß sehr genau wissen, was man wie tut; dann ist es nicht kompliziert. Aber der Motor und das Tellerlager haben schon Ihre kleinen Tücken und ein gut gewarteter Garrard 301 oder 401 dreht innert weniger Sekunden auf Nenndrehzahl und hält diese dann auch sofort. Ebenso weist ein gut gewarteter Garrard 401 in der richtigen Zarge Rumpelwerte von besser -39dB unbewertet bzw. -70dB bewertet und Gleichlaufwerte von < 0,04% auf.

Erreicht er das nicht, dann ist ein großer Service bei Jemandem, der sich wirklich damit auskennt angesagt.
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#4
(03.01.21, 1:10)Don_Camillo schrieb: Bei der Wartung möchte ich ein wenig widersprechen. Man muß sehr genau wissen, was man wie tut; dann ist es nicht kompliziert. 

Ich vermute, dass das auf Michael zutrifft.  Cool 

Mich sprechen die Geräte optisch nicht an, aber mich reizt es, mit einem Studio-Plattenspieler mal zu arbeiten (gilt auch für die Geräte von EMT). Technisch finde ich die auch interessant... und wenn man bedenkt, wie alt die sind, finde ich sie auch noch sehr beeindruckend! Wie weit sind wir im Plattenspielerbau davon entfernt...
Viele Grüße
Darwin (Thomas)
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#5
Oh, ja, natürlich trifft das auf Michael zu. Das wollte ich mit meinem Beitrag auch in keiner Weise in Frage stellen. Wenn das so rüber gekommen ist, dann habe ich das wohl mißverständlich formuliert. Entschuldigung.

Wie weit wir davon heute im Plattenspielerbau entfernt sind? Meilen bis Welten - allerdings idR nicht nach vorn.
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#6
Das stimmt leider, heute ist man von einigen der damaligen Werte und Toleranzen sehr weit entfernt.
Das traurige ist, dass es technisch heute Pillepalle wäre damalige Werte zu erreichen oder zu überbieten. Und das ohne den Part, der es so teuer macht, die Handarbeit. 
Ich verstehe dass Omas Küchenmesser besser schnitten und auch noch vererbt wurden.. Diese Messer waren handgefertigt... Das geht heute natürlich auch noch, aber zu einem höheren Preis. 
Servomotoren mit einer Drehzahlabweichung im nicht mehr messbaren Bereich sind heute in der Industrie Stand der Technik.
Selbst passive Magnetlager haben praktisch kein Spiel mehr in der Achse.. 
In irgendeinem Forum hat einer einen Dual auf Magnetlager umgerüstet.. 

Es wäre heute also theoretisch kein Problem einen exakt drehenden Plattenteller ohne irgendwelche messbaren Geräusche und Toleranz zu bauen.. 

Was machen wir heute, bauen Plattenspieler die mit Gleichlaufschwankungen daher kommen, die selbst ein td 150 mk2 im Jahr 1969 locker überboten hat. Und dafür werden über 1000 Euro fällig..
Manchmal, wenn ich ein bisschen neben mir stehe und gucke, was ich da so mache, muss ich plötzlich grinsen. Und dann lachen wir beide.  Big Grin
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#7
(03.01.21, 9:26)Don_Camillo schrieb: Oh, ja, natürlich trifft das auf Michael zu. Das wollte ich mit meinem Beitrag auch in keiner Weise in Frage stellen. Wenn das so rüber gekommen ist, dann habe ich das wohl mißverständlich formuliert. Entschuldigung.

Alles gut, nichts falsch rübergekommen Big Grin
Gruß
Michael
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#8
Da Jan-Cedric ja einen 401 geangelt hat, habe ich mal ein wenig gekramt und stelle mal die Unterschiede der 3 Serien, die es vom 401er gibt etwas genauer in Wort und Bild dar:

Den Garrard 401 gab ab ca. 1965 bis ca. 1977 und es wurden insgesamt so um die  50.000 Einheiten produziert. Wer das ganz genau wissen und ggf. sogar in Erfahrung bringen will wer der Erstbesitzer gewesen ist oder ob das Gerät an den Rundfunk geliefert wurde, der kann bei Terry von Loricraft nachfragen, da dort die originalen Auftragsbücher von Garrard aufliegen.

Die augenscheinlichen Unterschiede zwischen den drei Serien machen sich fest
  • in der Farbe der Motoreinheit
  • dem Gehäuse des Tellerlagers
  • der Tellerachse
  • dem Schalter (auf der Unterseite) der den Motor ein- und ausschaltet
  • der Stroboskop-Lampe 
  • den Kondensatoren zur Unterdrückung des Einschaltplopps
  • sowie der Beschriftung der Bedieneinheit 
  • der Dicke der Schubstangen für Geschwindigkeitswahl und Ein-/ Ausschalter
  • dem Motor, der zwar äußerlich gleich aussieht, im Inneren aber von Serie zu Serie eine leicht geänderten Statorwicklung für eine kürzere Hochlaufzeit und ein etwas höheres Drehmoment bekommen hat

1. Serie

Farbe der Motoreinheit: "echtes" braunmetallic

Garrard-Schriftzug: gegossen und poliert, Höhe der Schrift kleiner als bei Serie 2 und rundlichere Lettern

   

Bedieneinheit: Rahmen gegossen und poliert

   

Ein-/Aus-Schalter auf der Geräteunterseite: richtig dunkelbraun, stark verript

   

Kondensator: zwei rechteckige, schwarze Kondensatoren außerhalb des Schalters, befestigt unterhalb des Bedienfeldes

   

Strobo-Lampe: von unten liegend montiert, Umlenkung des Lichtstrahls über Spiegel, Plastikglas bündig in Chassis eingelegt anfänglich milchig weiß ohne Rippen, irgendwann nach SN#08660 grob verrippt

   

Tellerlagergehäuse noch mit dem Knubbel für den Schmiernippel

   
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#9
2. Serie:
beginnt irgendwo zw. SN#15.000 und 19.000

Farbe der Motoreinheit: "dreckiges" braunmetallic mit einem Stich ins Grau. Das sieht von der Farbe her fast aus wie eine leicht abgefahrene Fahrbahndecke

   

Garrard-Schriftzug: gegossen und poliert, Höhe der Schrift etwas größer als bei Serie 1 und leicht eckigere Lettern

   

Bedieneinheit: Rahmen gegossen und poliert

Ein-/Aus-Schalter auf der Geräteunterseite: mittelbraun, rechteckig mit abgerundeten Ecken, flach und glatte Oberfläche

   

Strobo-Lampe: ebenfalls liegende Lampe mit Spiegelumlenkung, ebenfalls bündiger Abschluß mit Chassis, allerdings feiner verripptes Glas

Kondensator: 2 Stck. im Schalter integriert, es sind Tantal-Elkos

Schubstangen: gleiche Maße wie bei Serie 1

3. Serie:
beginnt ab ca. SN#30.000

Farbe der Motoreinheit: gleicher Farbton wie Serie 2 aber kein metallic mehr

   

Garrard-Schriftzug: gepreßt und verchromt, gleiche Schrifthöhe wie bei Serie 2 allerdings eckigere Lettern

   

Bedieneinheit: Rahmen aus Pressstahl, verchromt

Hr. Bung hat mir gegenüber mal erwähnt, daß nicht alle Geräte der 3. Generation den Markenschriftzug in Pressstahl hätten, sondern auch manche noch den Schriftzug der 2. Serie

   

Ein-/Aus-Schalter auf der Geräteunterseite: wie Serie 2

   

Kondensator: wie Serie 2

Strobo-Lampe: von oben eingesetzte Lampenfassung mit Chromrahmen, keine Spiegelumlenkung, großer klobiger Normstecker

   

Schubstangen: dünner als bei den Serien zuvor

   
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#10
Der bei mir verbliebene Garrard 401 aus der frühen ersten Serie, den man hier im Faden auch im ersten Beitrag sehen kann, trägt übrigens die Seriennummer SN#08660 (frühe erste Serie) . Die SN#24426 (zweite Serie) war ebenfalls in meinem Besitz, wurde ebenso vollständig überholt aber wieder verkauft.

P.S.: Mein Freund Robert Graetke besitzt übrigens SN#8375. Bei dieser um 285 Stck. früheren Version wird das Stroboskoplicht durch Drücken das Pitchknopfes betätigt. Auch hier ist das Tellerlager ein original Öl-Drucklager eines 301 mit der oben gezeigten weißen Distanzscheibe und dem Knubbel für den Abschmiernippel und das Strobolicht ist ebenfalls mit der Ausführung bei Meinem 401 identisch - also bündig, milchiges und nicht geripptes Glas.

P.P.S.: Ich erinnere mich noch daran, dass die 401er vom User monk und vom User Vergeudo aus dem aaanderen Forum von mir überholt wurden; das muss so um 2007 herum gewesen sein. Davor und danach waren es noch ein paar Weitere.

P.P.P.S.:
Dieses Kokomo Kit von Robert Graetke (ATA) gibt es definitiv nur einmal. 

   
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