Mythos 1st press, oder Wahrheit?
#1
Wenn man gerne Musik aus den 60er/70er/80er Jahren hört und somit auch kauft, stellt man schnell fest dass die 1st Press immer etwas teurer sind. 
Aber die Wichtigste Frage ist natürlich, wie klingen diese? Sind diese Platten also rein klanglich mehr wert, oder nicht? 

Alles was hier unten beschrieben wird gilt für Platten die keine Debut Alben sind! (Bei Debut Alben ist der Weg in der Regel ein anderer, da erstmal geschaut wird ob man das Album überhaupt gut verkaufen kann!)

Die erste Frage vorab ist gar nicht so einfach zu beantworten, obwohl es eigentlich ganz einfach klingt, was ist eine 1st Press?
In der Plattenindustrie ist 1st Press anders definiert als beim Sammler!

Bei den meisten Sammlern ist 1st Press meist die früheste erschienene Ausgabe!
Bei der Musikindustrie ist die 1st Press hingegen definiert als "Pressung vom ersten Master" 
Hier stimmt übrigens die Definition der Musikindustrie, denn das Erscheinungsdatum wird oftmals durch Marketing und Transportwege beeinflusst. 
Die Musikindustrie versuchte stets zu vermeiden dass zwei Alben gleichzeitig auf den Markt kamen, da sich hier oft der Kunde entscheiden musste, welches Album er kauft. So kann es sein dass in UK in Kalenderwoche 32 die Stones mit dem neuen Album erschienen sind und die Beatles erst in KW 33. In der USA kann dies aber genau umgekehrt sein. 

1st Press anhand des Beispiels des Albums "the dark side of the moon" (Das "the" im Titel wird später thematisiert)

Laut Sammler ist die 1st Press strenggenommen die erste Pressung aus UK. Hier ist das Album als erstes erschienen!
Laut Musikindustrie wird die 1st Press als "Master Release" bezeichnet!

Bei jeder Pressung wird nur 1 Master erstellt! (Sehr oft wird bei diesem Master auch direkt "ein Remaster" erstellt. Also ein 2. oder 3. Master am gleichen Tag, vom gleichen Bandmaterial, da ja eh schon alles so fein aufgebaut und eingestellt ist. Master 2 und 3 wandern jedoch direkt in eine Schublade für den Fall einer Nachpressung! Obwohl scheinbar alles gleich ist, dürfen Master 2 und 3 fortan nur noch als "Remaster" bezeichnet werden, da eben doch der Schneidprozess nicht immer 1 zu 1 identisch ist! Und es geht ja um eine absolut gleiche Qualität)

Der Master geht danach in die Galvanisierung, hier wird der Stammbaum erstellt! Je größer und Internationaler die Auflage ist, desto mehr Kinder werden erzeugt :-) 
Unbegrenzt geht dies jedoch nicht! Etwas Qualität geht immer verloren! Einen festen Qualitätsstandard gibt es übrigens nicht, da natürlich auch viel abhängig ist von der Arbeitsqualität im Galvanisierungsprozess. 
(Einige Labels haben intern versucht hier einen Standard zu setzen. So sollte die erste Pressung mit einer erstellten Matrize niemals schlechter sein als eine Pressung der ersten Nutzbaren Matrize bei mittlerer Standzeit der Matrize. Sieht wie folgt aus: das Label gibt an dass mit jeder Matrize 1000 Platten gepresst werden dürfen. So gilt die 500. Platte als Qualitätsmaßstab. Sprich Jeder Nachkomme muss in der Lage sein mit der ersten gepressten Platte das Qualitätsniveau der 500. Platte des ersten Sohnes zu erreichen. Das sind natürlich alles theoretische Werte)

Also werden jetzt in der Galvanisierung erstmal ganz ganz viele Rohlinge (Matrizen) hergestellt. Dazu wird festgelegt wie viele Platten jede Matrize pressen darf! (500, 1000 oder maximal 1500) 
Alle entstandenen Matrizen sind Vorlagen für eine 1st Press! 
Grundsätzlich ist die größte Qualitätsschwankung immer innerhalb einer Pressung zu finden. Also die erste gepresste Platte ist immer besser als die letzte, mit der Matrize gepresste Platte! 
Alle Matrizen die in ein bestimmtes Land zur Weiterpressung gesendet werden sind Geschwister, also alle aus der gleichen Ebene des Stammbaums! Jedoch gehen diese Geschwister meist in verschiedene Presswerke. Jetzt kann man als Käufer nur hoffen dass Presswerk A Vinyl in gleicher Qualität einsetzt wie Presswerk B)
Kaufe ich die erste Platte einer Pressung habe ich zudem einen Qualitätsvorteil. (Dies kann ich jedoch niemals überprüfen! Zwar ist auf der Platte die Matrize eingraviert, aber eine Fortlaufende Nummerierung ist nicht möglich)

Also technisch kann auch die 3. Auflage einer Pressung immer noch 1st. Press sein. Wo liegt also der Vorteil der 1st Press der Sammler?
Meist ist die gepresste Stückzahl pro Matrize bei der zeitlich ersten Pressung geringer! Um sicher zu gehen werden sehr viele Matrizen erstellt, den Verkaufserfolg der Platte kann man jedoch nicht vorhersagen. Je besser die Qualität der Pressungen, desto höher die Verkaufszahlen. Und die Presswerke werden nach Anzahl der gepressten Platten bezahlt, also wird natürlich etwas gegeizt, man möchte ja schließlich nichts bezahlen was nachher keinen Absatz findet. 

Und wenn dann das Album sich verkauft wie Wasser, und evtl. die Matrizen knapp werden, dann wird auch schon mal gesagt, wir pressen 1000 Platten pro Matrize, nicht 500. 

Also als kurzes Fazit: Es gibt viel mehr 1st Press Platten als man denkt. 
Dieses Kann man übrigens auch bei Discogs direkt rausfiltern. 
Man darf jedoch nicht nach dem Album an sich suchen, dann werden alle Pressungen aufgelistet.
Sucht man jedoch nach Master-Release, werden alle Pressungen vom jeweiligen Master aufgelistet! Also alle wirklichen 1st. Press!


Und dann gibt es noch die teuer gehandelten Fehlpressungen. Dies sind meistens ganz normale Pressungen, meist jedoch mit falschem Etikett. 
Dies konnte passieren da die Labels immer große Angst hatten hintergangen zu werden. (Wenn das Presswerk nicht 500 Platten pro Matrize presst sondern 600 und 100 davon selber in Umlauf bringt)
Aus diesem Grund wurden zu jeder Matrize passend 500 Etiketten mitgeliefert! (Also 1000 wenn man die Rückseite mitzählt)
Auf diesen Etiketten steht auch die Matrizennummer. Jetzt kann es vorkommen, dass das Presswerk diese Etiketten vertauscht, und schon ist die Fehlpressung da. Oder dass eben die 1000 Etiketten falsch gedruckt waren. Dann ist die Platte gleich, aber natürlich auch viel selterner!
Aus diesem Grund hieß das Album (wer sich noch an den Anfang dieses Textes erinnert) zunächst "the dark side of the moon" in späteren Pressungen nur noch "dark side of the moon"! "Schwarzpresser" hatten mühsam Cover und Etiketten drucken lassen, diese sollten einfach nicht mehr passen!

So, das war meine Samstags Laberei!

Schönes Wochenende Euch allen

Christian
Manchmal, wenn ich ein bisschen neben mir stehe und gucke, was ich da so mache, muss ich plötzlich grinsen. Und dann lachen wir beide.  Big Grin
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#2
Na ja, erste Pressung gibt es je Land. Dann unterschieden sich die Pressungen je Land zum Teil, da es Länder gab, die bekamen die Masterbänder und erstellten den Press-Master selbst (z.B. Decca bei der deutschen Teldec) und Länder die bekamen einen eigenen Master (Decca in Holland). OB es auch Länder gab, die nur Pressmatritzen für die Maschine bekamen, weiß ich nicht gesichert, kann aber durchaus auch möglich sein.

Damit hat man sicherlich schonmal zwei, wenn nicht sogar drei Qualitätsstufen.

Eine Erstpressung ist auch immer daran erkennbar, daß der Presscode händisch eingeritzt wurde und nicht gestempelt ist.

Was sicherlich auch zählt ist den wievielten Pressvorgang je Matritze man dann erwischt, da sich die Matrize ja ebenfalls abnutzt und wieviele Matritzen schon vom Master gezogen wurden. Insofern ist also wohl eine 1.te Matrize vom Master und davon eine LP aus den ersten 250 Pressvorgängen mit dieser Matrize sicherlich besser als eine LP aus der 10ten Matritze vom Master und dem 5000ten Pressvorgang dieser Matritze.

Allerdings ist das dann nachher in der Bewertung auf dem Plattenteller garantiert noch von vielen weiteren Faktoren abhängig. Der Anzahl der Abspielungen, dem musikalischen Genre, der Machart bzw. Abmischung, der Wiedergabekette, der Tagesform. Meint, daß man bei verschiedenen Musikrichtungen und Macharten (natürliche Instrumente, Musik vom Computer) wahrscheinlich die Unterschiede schwer bis gar nicht erkennen und erlauschen können wird.

Ich kann das z.B. bei der George Micheal Faith nicht. Da diese aber auch komplett auf einem Midicomputer und Computer entstanden ist, wird das auch für Andere unmöglich sein. Bei einer Klassikaufnahme geht das dafür aber sehr gut und ist auch recht auffällig. Da muß man zur Einstimmung nur mal eine deutsche Teldec-Pressung gegen eine originale UK-Pressung hören und dann hinterher eine holländische oder spanische Pressung. Auch gibt es hier klangliche Unterschiede zwischen narrow und wideband Pressungen.
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#3
Das stimmt, sehr viele Labels verschicken die Master  Tapes. Was übrigens auch innerhalb der Labels nicht einheitlich ist. 
Darum habe ich exemplarisch Pink Floyd genommen, da diese sich das Recht zur Freigabe eines Masters haben einräumen lassen. 
So wie von mir beschrieben wurde es meist immer mit sehr Auflagen starken Werken gemacht.. 
Teilweise wurden verschiedene Alben sogar bewusst etwas anders abgemischt, je nach Erscheinungsland...
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#4
Bei Beatles Platten kann man das gut nachvollziehen. Nimmt man da die 1st US klingt diese wesentlich Basswummiger" als die deutsche First.

Generell ist die 1St. Pressung einer Platte eigentlich immer nur am gesuchtesten weil es halt die original Ausgabe ist genau zu der Zeit als die Musik rauskam. Da gibt es dann natürlich je nach Bekanntheitsgrad auch nicht viele von. Aus Klanglichen gesichtspunkten hat First oder Reissue nix zu sagen. Eine Aqualung First klingt grottig, auch die Nachpressungen übrigens. Das ganze wurde ja erst mit dem Steven Wilson remastering brauchbar.
Gruß
Jan-Cedric
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#5
(16.01.21, 17:47)Hifijc schrieb: Eine Aqualung First klingt grottig

Moin

Ein Tonträger klingt so wie er nach Meinung der Ersteller klingen soll und ist damit das Original.
Ob es dir gefällt oder nicht ist eine andere Sache. Angel 

Wenn die Tonträger von Steven Wilson sich anders anhören ist es nicht mehr Aqualung (Original) sondern eine andere Platte.

Gruß Jörg
Ich bin eigentlich ein ganz Netter, wenn ich Freunde hätte könnten die das sicher bestätigen.
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#6
Das ist mir zu einfach.
Gerade bei Jethro Tull kann man durch die fast endlose Zahl der Live-Alben auch sehr schön verfolgen, wie sich die Songs mit der Zeit gewandelt haben.
Wenn der originale Künstler seine Musik spielt, ist sie auch immer original. Dass sich etwas verändert, wenn es ein halbes Jahrhundert alt ist, ist doch normal. Ich habe mich seit meiner Geburt nicht unerheblich verändert Wink
Gruß

Jan


Hifi ist zu 40% Klang und 40% Optik. Der Rest sind Vorlieben.

Dreher im aktiven Einsatz:
JVC QL-Y55F, SABA PSP 910, Technics SL-1300, Hitachi PS-58

Abzugeben:
Sharp Optonica RP-5100, Luxman PD-284, Sonab OA5, SABA 60L

ToDos:
Dual: 1019, Dual 1219, Revox B795, Sony PS 5550, Technics SL-Q 33
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#7
(16.01.21, 18:31)höanix schrieb:
(16.01.21, 17:47)Hifijc schrieb: Eine Aqualung First klingt grottig

Moin

Ein Tonträger klingt so wie er nach Meinung der Ersteller klingen soll und ist damit das Original.
Ob es dir gefällt oder nicht ist eine andere Sache. Angel 

Wenn die Tonträger von Steven Wilson sich anders anhören ist es nicht mehr Aqualung (Original) sondern eine andere Platte.

Gruß Jörg

Das kommt darauf an. Oftmals wird ein Mastertape vom Künstler oder Produzenten freigegeben, aber beim LP Mastering können noch einige Böcke geschossen werden.. 
Aus diesem Grund sichern sich einige Künstler das Recht zur Freigabe des Lp Masters...
Manchmal, wenn ich ein bisschen neben mir stehe und gucke, was ich da so mache, muss ich plötzlich grinsen. Und dann lachen wir beide.  Big Grin
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#8
Zitat:Wenn die Tonträger von Steven Wilson sich anders anhören ist es nicht mehr Aqualung (Original) sondern eine andere Platte.


Ich finde da liegt dann keine andere Platte vor, höchstens ein anderes Mastering der selben Aufnahme.  Big Grin 

Aber speziell darum gehts hier ja nicht. 

Erstpressung sind zuweilen auch wegen der Labels gesucht. Einige Platten auf Vertigo Swirl werden explizit wegen des Labels gesammelt. Spätere ausgaben sind häufig vom Cover nicht so aufwendig gestaltet und meistens mit einer anderen Label Optik rausgekommen.

Oder es wird nach Bands gesammelt. Wo sogar Platten mit Beschriftungsfehlern zu hohen Kursen gehandelt werden (siehe Beatles)oder Uriah Heep wo auf der ersten Auflage der Look At Yourself ein Bandmitglied falsch geschrieben wurde usw.
Gruß
Jan-Cedric
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#9
,,Ich habe mich seit meiner Geburt nicht unerheblich verändert [Bild: https://plattenspieler-forum.de/images/smilies/wink.png],,

Ne klar soweit. Der Bart war quasi schon im Geburtskanal vorhanden.
Ach, deswegen hat deine Mutter so gelacht. (Hihihihi).

Tschuldigung, Steilvorlage.  Tongue
Mit Musik geht vieles leichter.
Viele liebe Grüße 
Jo  th_up
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#10
Erstpressung sind zuweilen auch wegen der Labels gesucht. Einige Platten auf Vertigo Swirl werden explizit wegen des Labels gesammelt.

Guten Abend Jan - Cedric,

da habe ich auch einen Sammler in meinem erweiterten Bekanntenkreis.
Er sammelt Platten mit dem Vertigo Swirl Label.
Sogar ein Buch über die gesamten Swirl Pressungen besitzt er.
Die Musik spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.

Viele Grüße
Jürgen
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